Spick dich!
Wenn Schüler Lehrer bewerten

Ampeln zum Beispiel.
Mit denen lässt sich auch nicht so ohne weiteres kommunizieren. Du magst ihnen zwar das eine oder andere „Werd‘ grühüün!!“ entgegen schmettern, aber eine echte Interaktion kommt irgendwie nicht zu Stande. Der Kernwert der Ampel ist nun mal ihre Kommunikationsresistenz, der Hoffnungsgehalt des Grünrufs daher von vornherein eher wie der von natürlichen Substanzen in CocaCola. Oder in Fruchtjoghurt, Tütensuppen, Mozzarella.
Prinzipiell scheint es dennoch vernünftig, sich an Leuten wie dem Avantgardedichter GWF Hegel zu orientieren, die halsstarrig auf die Notwendigkeit von Interaktion verweisen, wann immer es um Lebensfragen geht. Bloßes Sein mag alles bedeuten, ist aber tatsächlich nichts, erzählte der mal bei einem Sonntagsfrühstück; erst durch die Konfrontation mit dem Anderen und der Auseinandersetzung entsteht die Chance des Werdens.
Nun magst Du sagen: kontra, denn sieh mal der Bohlen-Dieter; der IST ja nun mal und Konfrontation mit anderen – na ja, quasi seine Lebensmaxime, aber was ist hier mit Werden und Wachsen? Aber Hegel war halt auch nur Mensch und Menschen irren.
Die Liste menschlicher Irrtümer ist lang, reicht bis in unsere Genesis: Etwas Obst schadet nicht (Adam & Eva).
Jeder kann singen (Heino).
Fußball ist unser Leben. (Diverse Perverse)
Geiz ist geil (dabei ist Geiz ein Chorknabe gegen, sagen wir, Berlusconi).
Ein Elch schmeißt einen Mercedes nicht um.
Und gerade deshalb ist die Kommunikation ja so wichtig, eben wegen dieser Irrtumsanfälligkeit menschlichen Denkens; als Clearingstelle humaner Rechtunsicherheit.
Dass Kommunikation auch Werturteile liefern kann, ist nicht auszuschließen. Gehört dazu. Wie das „äh“ zu Stoiber.
Doch pass auf. Jetzt kommt eine Lehrerin und sagt: Schüler dürfen das nicht. Bewerten. Sie und ihre Zunft.
Was andere von ihr halten, sollen die bei sich behalten.
Sie ist. Das genügt ihr.
Und überhaupt: es gibt schließlich auch kein Papst-Rankingforum. Oder ein Bewertungsportal der Flensburger Kartei.
Nun kannst du sagen: vielleicht hat eine solche Lehrerin zu viel in einem Bohlen-Buch gelesen, vielleicht einmal zu oft „I am what I am“ gehört – mag sein, die Macht der Kunst ist nicht zu unterschätzen; kann aber auch zu Wahrnehmungsverschiebungen führen – nach zwei Stunden Dauer-Zappa bist du auch nicht mehr derselbe wie vorher.
Das müssen sich dann auch die Richter gedacht haben, bei denen die Frau Lehrerin mit ihrer Sache – zur Klärung ein für alle Mal – vorstellig geworden ist. Doch die Robenträger sagten zu ihrer Überraschung: Nein, die Schüler dürfen. Auch im Internet. Auch auf einer genau zum Zweck der Benotung von Lehrern eingerichteten Seite.
Vielleicht hatten die den Hegel in der Gesäßtasche und fanden die Subjekt-Objekt-Spaltung nicht gut. Irgendetwas in der Art wie: wird der Schüler an sich zum Objekt außerhalb der betrachtenden Lehrerschaft, so ist das klar mangelhaft (sowie Mangelhaft).
Oder: subjektives Behaupten der Wahrheit gleich Bruch in der Gattungseinheit.
Vielleicht fiel den Richtern aber auch bloß die eigene Schulzeit wieder ein. Und wie sie Nadeln in Lehrerpuppen steckten, mangels Alternativen. Jedenfalls soll die Schule nach derzeitiger richterlicher Meinung keine Einbahnstraße sein.
Und der Lehrer keine Ampeln; quasi.
Es darf zurück benotet werden, ein „Werd‘ grühün!!“-Ruf in besonderer Form.

Andreas Bürgel