Wenn man sich nicht mehr wehren kann
Falk & Sons zelebrieren Bach.

Gemeinplätze erreichen einen meistens gänzlich ungemein, geradezu ungemein höflich. Was auch das Youtube-Werbevideo für einen Tonträger namens „Falk & Sons celebrate Bach“ beweist. Spricht die Musik dieses Videos eindeutig für sich, so schreit der eine oder andere Satz aus dem Munde des rührigen Dieters oder seiner Jungfalken doch nach Fußnoten.
Buchstäblich in diesem Fall: denn nicht nur die zu Beginn des Clips geäußerte Bemerkung „Was wir machen, ist eine musikalische Zeitreise“ lässt es bei mir spontan im Spann zucken und ich möchte vor allem eines, austreten; denn stimmen mag das allerhöchstens dann, wenn die Reise scharf an Jacques Loussier vorbei zu den Swingle Singers gehen sollte. Andernfalls fürchte ich eine weitere Verwechselung von Historie und Hysterie und würde an des Falken Stelle ein solches Vorhaben flugs den Neville Marriners dieser Welt überlassen.
Und schon lässt das Video noch so einen Satz auf uns los: „Bach swingt und rockt“. Ein Hammerstatement!
Aber nein. Und nochmals nein. Bach fugt vielleicht, menuettet, turbat und braust bisweilen, doch Bach ist weder der Hindemith Frescobaldis noch der Joey deFrancesco Jimmy Smith‘ sondern schlicht er selbst und würde selbst dann nicht rocken, wenn Marty McFly mit einer Strat 1720 gelandet wäre – und das ist auch verdammt gut so. Da hilft auch die modisch einwandfreie Lederjackenoffensive des Falkentrios nicht.

„Würde Bach heute leben, säße er nicht nur hinter der Orgel sondern auch hinter den modernsten Rechnern und den modernsten Keyboards.“ Oder hinter den modernsten Frittenbrätern und Frikadellenwendern, die McDonalds so zur Verfügung stellt.
Oder er säße auf Hartz4 vor der Glotze.
Oder als Telefondirektvermarkter für Lotteriespiele hinter einem Bildschirm mit den Nummern potenzieller Opfern.
Würde Bach heute leben, hieße der Thomaskantor noch lange nicht Dieter Bohlen, selbst wenn der gezwungen gewesen wäre, seinen Platz im Raum-Zeit-Kontinuum mit Johann Sebastian zu tauschen.
Ja, und die auf dem Falkenwerk geäußerte superspannende Frage, ob man Bach noch in hundert Jahren hören wird, wird vermutlich mit „ja“ beantwortet werden können. Sicher, auch für diese Falk-CD kann das zutreffen. Wahrscheinlich aber nur, wenn es dann noch Fahrstühle gibt und sich eine Ahnenreihe von Abteilungsleitern über Dekaden als zu faul oder zu vergesslich erwiesen hat, „Celebrate Bach“ als Beschallungsquelle eines dieser Vertikaltransporteure auszutauschen.

Andreas Bürgel