Gerster

Du hast dich gefragt, warum Backwaren unter lächerlich anmutenden Bezeichnungen über den Ladentisch gehen, ein Milchhörnchen „Rumpelstilzchen“, ein Brötchen „Prinz Kajuku“ oder ein Baguette „Butjerlutscher“ heißen muss?
Ich auch.
Bis heute.
Meine Erhellung begann mit der harmlosen Frage eines Kunden, ob das Gerster-Brot auch aus regionaler Gerste sei.
„Tut mir leid“, musste die Backmaid da bedauern, „ist gar keine Gerste drin; Roggen.“
Was den Mann zunächst erstaunte, dann empörte.
„Produktfälschung“ schimpfte er, und „Verbrauchertäuschung“.
Das maulige „Ja, heißt eben so“ der Verkäuferin trug vergleichbar viel zur Beruhigung der Situation bei, wie ein vor einem sich bei einem Lokalderby eingrölenden Posten Hooligans kernig vorgebrachtes: „Haltet doch mal kurz die Schnauze“.
„Sie nennen das Brot also einfach so?“, wetterte der Mann, mittlerweile sichtlich pulsbeschleunigt, „dann nenne ich Sie jetzt Rosamunde, wie finden Sie das?“
Nun, offenbar empörend; denn die Stimme von jenseits der Verkaufstheke klang schneidend, als sie richtigstellte, sie hieße Nicoletta und da hätten sich ihre Eltern auch etwas dabei gedacht, also bitteschön.
„Ist das Gleiche, wie ein Roggenbrot Gerster zu nennen, Rosamunde“, frondierte der Mann, was die elternloyale Nicoletta zu dem Streitgebäck schnellen ließ. Ich sage dir, so fix kannst du gar nicht kucken, wie das Brot durch die Luft geflogen kam. Seitlicher Kiefertreffer beim Kontrahenten.
Wär alles vermeidbar gewesen, nicht wahr?
Die hätten nur, wie alle anderen auch, ihr geflämmtes Roggenmischbrot „Hobbitjause“, „Popeyeklinker“ oder „Breakingbread“ nennen müssen, und … na, du weißt schon.

Andreas Bürgel