Gutachten sind keine Rosen

Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.
Punktum, literarische Tatsache.
Die Dinge liegen aber offenbar nicht immer so klar wie bei Rosen.
Pommes zum Beispiel. Können von tranig müffelnden Glitschhobeln über gaumenperforierende Karbon-Versteinerungen bis zu goldgelben, zartkrossen Hüftschwellern so ziemlich alles sein.
Oder Linienbusfahren, wo vom (das Immunsystem bis auf Anschlag treibenden) Survivaltrip bis zum wohlig schläfrigen Relaxtransfer so ziemlich alles drin ist. Letzteres allerdings nur im Nebenstreckenverkehr zur Urlaubszeit.
Die Königsdisziplin der Ungewissheit aber sind Gutachten.
Zunächst scheinen die immer ganz praktisch, diese Gutachten. Enzykliken der Postmoderne, schaffen Ruhe unter den Gläubigen, auch wenn sie mal nicht auf Latein sind. Allerdings ist es mit der Ruhe vorbei wenn jemand merkt, dass so ein Gutachten gegen seine Komfortzonen zielt. Oder gegen seinen Geldbeutel. Dann braucht es einen Gegenpapst mit einer Antienzyklika, ein Gegengutachten also.
Beispiel: Da hatte ein Gutachter seinen Ratten im Labor lecker NK603 zu futtern gegeben. Genau, das NK603 von Monsanto. War ganz früher mal einfacher Mais, bis Monsanto den praktisch neu erfunden hat. Jedenfalls starben 50 Prozent der Männerratten und gleich 70 Prozent der Weibchenratten nach diesen Mahlzeiten ruckzuck weg.
Krebs.
Die mit dem altmodischen Mais gefütterten Langschwänze lebten besser. Da starben nur 30 Prozent Männchen und 20 Prozent Weibchen vor dem Methusalemalter. Durchgezogen haben die das zwei Jahre mit den armen Viechern; eben so lange, wie ein solcher Nager auch sonst so lebt, wenn er nicht in ein Labor umgesiedelt wird. Jedenfalls gab’s dann ein Gutachen, das sagte: NK603 ist gefährlich und muss weg.
NK603 ist schließlich nicht nur ein zugelassenes Futtermittel, sondern auch ein verkehrsfähiges Lebensmittel – kannst du in jedem Supermarkt für dein berühmtes Hausmacher-Chili eintüten. Bloß, dass da nicht NK603 auf der Dose steht, sondern Knacknuggets oder was den PR-Leuten sonst so eingefallen ist.
Doch nicht nur NK603 muss weg, sagt dieses Gutachten, sondern auch die NK603-Gutachten von Monsanto & Co. Alldieweil da steht, dass NK603 echt lecker und unbeschreiblich gesund ist – eine irrige Annahme, weil die Monsantiker den Ratten nur zwölf Wochen lang NK603 in die Backentaschen gestopft und die zu einem viel zu frühen Zeitpunkt aus ihrer Labortätigkeit entlassen haben; als die nämlich noch nicht genug verkrebst waren, um zu sterben.
Die Antwort der Monsantiker kam schneller, als ein Pingpongball auf einer japanischen Meisterschaft.
Die Monsantiker verkündeten, dass das Nicht-Lecker-Gutachten über NK603 einfach nicht zählt. Weil das gekauft ist. Weißt du, der Obergutachter der Anti-Monsantiker ist letztendlich ein Freund von Greenpeace. Und gibt das auch noch zu.
Klar sind die Monsanto-Gutachten auch gekauft. Das geben wiederum die Monsantiker zu.
Aber richtig gute Gutachten kosten nun mal. Da kannst du jeden fragen, kannst du nichts machen. Und die Monsantiker geben ihr Geld nur den Besten. Was du daran erkennen kannst, dass diese Gutachter nicht immer alles mies machen wollen. So wie die anderen.
Und wer weiß – vielleicht hat die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gerade deshalb jetzt wieder den Antrag von Monsanto auf Wiederzulassung von NK603 für den Import und die Verarbeitung als Lebens- und Futtermittel akzeptiert(1).
Aber so mal unter uns: ein Gutachten ist kein Gutachten ist keine Rose. Von mir aus können die mit ihren Gutachten und Gegengutachten gerne weiter wedeln. Ich esse eh lieber diesen altmodischen Mais, frisch vom Kolben, vielleicht mit ein bissele Butter drüber.
NK603 kann R2-D2 haben, der steht auf so was.
Und überhaupt: so langsam glaube ich, nur Monsanto braucht Monsanto.

Andreas Bürgel
(1) vgl.: http://www.transgen.de/zulassung/neu/