Teufelsgeigerzähler

Wenn du mit deinem Musikgeschmack punkten willst, musst du echt aufpassen. Es ist oft nur ein Detail, das dich als zurückgebliebenen Radikaldödel dastehen lässt.
Ein Beispiel? David Garrett. Der tourt ja gerade. Aber ich würde mir überlegen, ob ich mit Tickets für seine Konzerte angeben würde.
Ja klar, unvergessen seine bahnbrechende und zeitlose Interpretation des Hummelflugs in nur 66,56 Gesamtsekunden. Sage und schreibe 13 Noten pro Sekunde.
Zertifiziert toller Musiker. Insbesondere, wenn man seine trimphale historische Aufführung vom denkwürdigen 20. Dezember 2008 bedenkt, in der Garrett sich um ganze 1,3 Sekunden perfektionierte und mit einer Gesamtzeit von 65,24 Sekunden und 1,54765 Takten pro Sekunde ins Ziel ging. Alles überstrahlender Schwarzergürtelgeiger.
Aber pass auf: Dann kommt nämlich Ben Lee um die Ecke. Einfach so. Aus Australien. Und pardauz – die Musikwelt steht schier Kopf als er seine 64,21 Sekunden-Auffassung des genannten Werkes präsentiert. Seine ewige Interpretation von 2011 katapultiert ihn in den musikalischen Olymp – mit 58,515 Sekunden Gesamtzeit und einem Taktfluss von 1,7260531 pro Sekunde.
Aber man munkelt ja, ein high-tech high-speed-Bogen aus irgendeinem Weltraummaterial mit reduziertem Reibungsverlust sei bald am Start. Also Obacht; man will ja nicht in der Fanbase von Zweitbesten landen.
Ich für meinen Teil gebe mich jetzt der Petite Symphonie concertante von Frank Martin hin. Selbstverständlich der von ihm selbst dirigierten 21,27 Minuten-Version.
Mit der mit 23,36 Minuten doch eher ärmlichen Interpretation von Neville Marriner und der Academy gibt sich einer wie ich natürlich nicht ab.

Andreas Bürgel