Heavy Drinking
Schwarzes Kopftuch, Totenschädel an den Seiten, Verknotung hinten. Motorradjacke, Jeans, Bollerstiefel. Captain Sparrow „Leather-Edition“, streng limitiert. Wahrlich ein schwer ignorierbares Ich-Modell.
Im Windschatten die Nachhut. Kleiner, aber mit reichlich Metallbeschlägen am Outfit.
„Moin Meister. Habter AC/DC-Wein?“
Der angesprochene Ladenhalter mustert seine zwei Neukunden wie einen frisch erblühten Pickel am Kinn. Sein Kopfschütteln gelingt dennoch eher pädagogisch. „AOC-Wein“, nörgelt er, wobei er die drei Buchstaben ineinander dehnt, als rede er über einen vorchristlichen chinesischen Philosophen.
„Eeey – AC/DC, Alter! Hells Bells!“ Der Kumpel des Asphalt-Korsaren müht sich, den zweiten und fünften Finger seiner Hand aufzurichten und die Metal-Forke kommt beinahe stilecht zustande.
Beinahe, denn der Endvierziger wirkt mit rosigen Wangen, Knubbelnase und Marshmallowhüften in etwa so teuflisch wie ein karottenmümmelndes Kaninchen. Aber was sind genetische Prädispositionen gegen die Kraft der inneren Stimme. Und die muss dem Metal-Hobbit mächtig einen vorsingen, denn der Typ verfällt unversehens in einen steifbeinigen Wackenstomp. Was ihn für den Ladenhüter schlagartig doch diabolisch macht. Ein Eckweinladen ist halt nicht viel größer als ein Beichtstuhl, beherbergt aber – infolge des unterschiedlichen Absolutionsverfahrens gegenüber den Mühsamen und Beladenen der jeweiligen Klientel – deutlich mehr Flaschen. In Bruchgefahr. Das „Hamwernich“ kommt daher schnell und resolut wie ein Punkt hinter einem Tagebucheintrag zur frisch absolvierten Wurzelbehandlung. Und was immer den AC/DC-Fan in seinen Stammestanz trieb, schlagartig endet es.
Das „Wir sind dann wech“ des Captains klärt seine Position in puncto Läden ohne „Highway to hell“-CabSav oder „Back in black“-Shiraz.
Versetz dich in seine Lage: Design ist zum universellen Prinzip geworden, ergo expandiert es. Wenn du also bei deiner Ich-Präsentation schlampst, dein Design nicht stimmt, kann dich keiner einordnen, ja nicht mal wahrnehmen. Denn anfliegende Infos werden im Hirn mit dem abgeglichen, was in den designgeschulten sensorischen Arealen als sinnvolles Konstrukt hinterlegt ist. Schlägt der Abgleich fehl, wird das Hirn zum Agnostiker: das da draußen mag wohl existieren, ist aber so relevant wie die Blutwurststulle auf dem Escoffier-Revival-Buffet. Es fällt durchs Raster.
So ein Fan als persönlichkeitsästhetischer Spezialfall muss hier besonders auf klare Wahrnehmbarkeit achten. Nichts trifft einen Britney-Fan mehr, denn als Kesha-Anhänger missdeutet zu werden – da reicht ein Löckchen in der falschen Drehrichtung. Stylen definiert. Ohne die richtigen Accessoires bist du zur Angst verdammt, dem falschen kulturellen Bezugsobjekt zugeordnet zu werden. Tödlich.
Damit Fans sicherer leben können, bieten ihnen echte Heroes das Rundumsorglospaket; im Corporate Design. T-Shirts, Luftpumpen, Zahnbürsten. Und für reibungslose Zuordnung beim Zechen: Wein. Rock’n’Wine.
Nicht nur von AC/DC.
Kiss-Fans können ihren Stahlhumpen mit Eigenstoff füllen, die Getreuen der Stones, Motörhead – die halbe Hall Of Fame des Rock’n Roll hat eine Weinabteilung.
Ob die was taugen, die „ZinFire“, die „Thunderstruck“? Keine Ahnung. Mein Designentwurf verlangt andere Extensions.
Solche, wie den Marsannay 2011 „Les Echezots“ der Domaine Ballorin & F.
Keine Rampensau. Der hüpft auf jungspundigen Bischofssocken über den Glasrand. Ohne Holzlast, mächtig Energie. Seine Geschichte von dunklen Steinfrüchten entwickelt sich spannend. Beeren und ein Veilchenblatt spielen mit frischer, an der Leine gehaltener Säure. Ein Pülverchen Mineralität, feines Tannin. 12,5%, keine Keulengradation. Ein klarliniges Mittelgewicht, das nie einen Kreuzzug aus dem Glas starten wird. Kein Schnörkelburgund, kein im Klosterkeller zechender Pausbackenmönch. Hier bastelt Biodynamik an einer neuen alten Tradition.
Vin vivant sagt das Etikett in latzhosenlila.
Was einfach großartig passt – nicht nur zu meinen Balkonblumen.